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 FOTOGRAFIE
Fotografien von Achim Schoepe
Stand Ort 69,7
Am Elbe-Seitenkanal

SCHOEPE
 

Fotografien von Achim Schoepe im Arboretum Melzingen

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 31.08.2007 von Heinz Schirnig

Zum ersten Mal werden Fotografien in der kleinen Galerie des Gartencafés im Arboretum gezeigt. Bisher wurden in Öl oder Acryl gemalte Bilder ausgestellt, Aquarelle und Drucke oder Skulpturen im Garten selbst. Ist das ein Bruch in der Ausstellungskonzeption, die Anna Susanne Jahn entwickelt hat? Ein Bruch wäre es gewesen, wenn Achim Schoepe die Aufnahmen vor ein paar Jahrzehnten gemacht hätte, als er noch seinen Beruf ausübte als Fotograf und Leiter des Fotolabors der Kriminalpolizei in Berlin. Dort war es um Dokumentation gegangen, um Spurensicherung, um exakte, gestochen scharfe und farbgetreue Wiedergabe von Sachverhalten. Diese Arbeiten wären Ausdruck von handwerklichem Können gewesen. Kunst wären sie nicht. Es hätte die Unterscheidung von Karl Pawek gegolten: Der Künstler erschafft die Wirklichkeit, der Photograph sieht sie.“ Aber die Grenze verläuft schon lange nicht mehr zwischen Fotografie und Kunst, sondern zwischen rein dokumentarischer und künstlerischer Fotografie. Längst ist die Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel gleichberechtigt etabliert.

Es reizt mich, obwohl es gewagt, vielleicht auch unzulässig ist, die Landschaftsaufnahmen von Achim Schoepe mit scheinbar gegensätzlichen Fotografien zu vergleichen, mit den wunderbaren Industrieaufnahmen des kürzlich verstorbenen Bernd Becher. Sie als Report der Industriearchitektur zu sehen, würde ihnen nicht gerecht werden. Sie gehen weit über eine Dokumentation hinaus und schaffen ihre eigene Wirklichkeit. Andreas Rossmann hat kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Bernd Becher geschrieben: „Seine Fotografien sind nicht Abbildungen der Wirklichkeit, sondern Bilder, die die Wirklichkeit erst sichtbar machen, Anschauungsmaterial einer Schule des Blicks...“. Hier liegt die Verwandtschaft. Der Satz könnte für beide gelten, für die Industrieaufnahmen von Bernd und Hilla Becher und für die Naturaufnahmen von Achim Schoepe.

Achim Schoepe hat den Schritt zur Kunst ganz bewusst vollzogen. Mit seinem Ruhestand beginnt er so zu fotografieren, wie er es schon lange ersehnt hatte. Die Bilder sind das Gegenteil dessen, was Schoepe viele Jahre beruflich gemacht hat. Jetzt, wo der Beruf hinter ihm liegt und er in Hanstedt I bei Ebstorf seine Heimat gefunden hat, entstehen Landschaftsbilder von befreiender Weite, weich gezeichnet und voller Empfindung. Das Wort Ruhestand bekommt bei Schoepe eine weitergehende Bedeutung, denn die Ruhe, die seine Bilder ausstrahlen, ist Ausdruck der Ruhe und Konzentration des Fotografen und seiner Ausdauer. Manchmal wartet er stundenlang auf das richtige Licht. Dazu passt, dass Schoepe immer mit Stativ arbeitet. Und es verwundert nicht, dass es lange gedauert hat, bis er sich der digitalen Fotografie zuwandte. Solide Kameras für große Formate hatte er stets benutzt. Die handlichen, kleinen Apparate, die zum schnellen Knipsen verleiten, waren seine Sache nicht. Sie hätten auch nicht zu ihm gepasst. Auf die digitale Fotografie stieg Schoepe erst um, als er in den leistungsstarken Spiegelreflexkameras sein adäquates Arbeitsgerät fand.

Der fotografischen Aufnahme folgt eine ebenso intensive wie behutsame Bildbearbeitung. Ausschnitte werden gewählt, Farben und Licht im Sinne des Künstlers verändert. Die Bilddatei auf dem Rechner ist seine Rohware. Schoepe gestaltet seine Bilder mit anderen Mitteln so, wie es der Maler mit Pinsel, Spachtel oder Feder tut. Er sagt dazu: „Es sind eigentlich nicht mehr Fotografien nach herkömmlicher Gewohnheit, sondern fotografische Werke, die meine Handschrift tragen, jedes einzelne ein Unikat.“ Dazu passt, dass er von jedem Motiv nur sieben Exemplare ausfertigt und danach die Datei vernichtet. Nur wer die Bilder sehr oberflächlich betrachtet, sie missversteht, könnte meinen, sie gäben die Realität wieder. Schoepe schafft eine neue Wirklichkeit. Am Ende eines langen Prozesses steht Kunst.

Ruhe und Kontemplation drücken seine Fotos aus. Sie entstehen meistens in aller Frühe, wenn Dunst und Nebel noch über der Landschaft liegen und die aufgehende Sonne ihre ersten Strahlen schickt. Das Morgenlicht erscheint ihm frischer als das warme Licht am Abend, sagt Achim Schoepe, und die harten Schlagschatten der Mittagszeit mag er schon gar nicht. Der Nebel verleiht seinen Bildern nichts Düsteres, denn die Morgensonne setzt ihre Akzente. So entstehen im eigentlichen Wortsinn Licht-Bilder von Landschaften. Leise und differenzierend sind sie. Alles Plakative ist ihnen fremd.

Gern griff Achim Schoepe die Anregung seiner Künstlerkollegin Anna Susanne Jahn auf, im Arboretum Melzingen zu fotografieren. Doch die Begeisterung wich zunächst der Enttäuschung. Er erlebte das Arboretum als Garten der Fülle, dem Räume und Tiefe fehlten. Sogar auf den Morgennebel wartete er vergebens. Auch knorrige alte Bäume vermisste er in dem jungen Garten. So war es kein Zufall, dass Schoepe als erstes Motiv den schnell gewachsenen Mammutbaum wählte, der mit seinen 40 Jahren schon einen mächtigen Stamm aufzuweisen hat. Und allmählich sah sich der Künstler in den Garten ein, entdeckte ungewöhnliche Motive: Die Goldcatalpa mit dem Schlafmohn im Vordergrund, die einzelne Rose unter der Tanne oder die Banklehne mit den Tautropfen vor der Baumgruppe. Manches unscheinbare Detail wird zum Blickfang, ja zum Störfaktor, wie Schoepe sagt, der den Charakter des Bildes bestimmt. Die Bilder geben den Blick auf den Garten frei, den so noch niemand gesehen hat. Wir sehen den Garten in der Interpretation von Achim Schoepe als Kunst.