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Vom Vorzug des Stiftens
Stifter sind Gärtner
Stiftungen und ihr Profil

VOM VORZUG DES STIFTENS
 

Vom Vorzug des Stiftens

Vortrag von Heinz Schirnig auf dem Markgräfler Stiftungsforum der Sparkasse Markgräflerland im Bürger- und Gästehaus Schliengen am 22.11.2011

Stifterpersönlichkeiten

Anfang der Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts studiert ein junger Mann in München Kunstgeschichte, um anschließend Journalist zu werden. Schon damals geht er seiner großen Leidenschaft nach, Kunst zu sammeln. Blätter der Expressionisten kauft er für ein paar hundert Mark. Später sind sie ein Vermögen wert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er dann zu einem der erfolgreichsten Journalisten und Herausgeber Deutschlands. Das erleichtert den Ausbau seiner Kunstsammlung sehr. Weil er will, dass sie nicht auseinander gerissen, sondern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, errichtet er an seinem 70. Geburtstag eine gemeinnützige Stiftung und macht damit die Bilder zusammen mit einem Museum seiner Heimatstadt Emden zum Geschenk. Wer Henri Nannen, der auch im Alter nichts von seiner Faszination und Tatkraft verloren hatte, in seinem Museum inmitten der Bilder begegnete, der erlebte einen glücklichen Menschen.

Mit Pferd und Wagen verschlägt es eine junge Frau mit ihren vier kleinen Kindern am Ende des Zweiten Weltkriegs aus Ostdeutschland in die Lüneburger Heide. Sie steht vor dem Nichts und besinnt sich auf das, was sie kann. Aus Interesse am elterlichen Park und nicht etwa aus wirtschaftlicher Notwendigkeit hatte sie es als Mädchen gegen den Willen ihres konservativen Vaters durchgesetzt, eine Gärtnerlehre zu machen. Jetzt pachtet sie kurz entschlossen Land, baut Gemüse, Beerenobst und später vor allem Blumen und Ziersträucher an. In großen Körben bringt sie die Ware mit dem Fahrrad zum über 10 km entfernten Wochenmarkt und ernährt mit dem Erlös ihre Familie. Das kleine Unternehmen gedeiht, die Anbaufläche wächst und aus dem Pachtland wird eigener Grund. Darauf entsteht ein wunderschöner Garten mit Pflanzen aus den gemäßigten Zonen der ganzen Welt, vor allem mit Bäumen, denn denen gehört die große Liebe der Gärtnerin. Im hohen Alter sorgt sie sich um den Fortbestand des Gartens der Bäume, denn die Kinder leben weit entfernt. Um ihr Lebenswerk zu erhalten, errichtet Christa von Winning für ihr Arboretum, den Garten der Bäume, eine gemeinnützige Stiftung. Inzwischen ist die Stifterin in ihrem Garten 99 Jahre alt geworden. Wer sie heute durch ihr Paradies, wie sie sagt, fahren sieht, der begegnet – im Rollstuhl – einem fröhlichen Menschen.

Ein Ehepaar hat es in seinem langen Berufsleben zu etwas gebracht. Gern denken die beiden an ihre Jugend zurück. Besondere Freude hatten sie an den Konfirmandenfreizeiten mit den langen Wanderungen. Damals lernten sie die christlichen Werte kennen, die sie ihr Leben lang begleiten sollten. So war es Karl und Louise Müller im Alter ein Anliegen, das erarbeitete Vermögen 1987 in eine Stiftung einzubringen, aber in eine ganz besondere mit einem speziellen Ziel. Sie unterstützt Kirchengemeinden bei der Durchführung von Konfirmandenfreizeiten, aber nur solchen, die mit einer ausgedehnten Fußwanderung verbunden sind.

Die Vielfalt der Stiftungen

Diese drei Beispiele zeigen sehr deutlich, wie unterschiedlich und individuell Stiftungen sein können. Stifter verfolgen ganz persönliche Ideen und Pläne. Je nach den eigenen Interessen der Stifter können die Aufgaben im sozialen Bereich liegen von der Jugend- bis zur Altenpflege, in Bildung und Ausbildung, in Wissenschaft und Forschung, in der Kultur von der Denkmalpflege bis zur zeitgenössische Kunst, von der Musik bis zu Literatur und Theater. In den letzten Jahrzehnten sind vermehrt Tierschutz, Umweltschutz und Ökologie hinzu gekommen. Vollständig ist diese Aufzählung noch lange nicht. Auch das Stiftungsforum in Schliengen, auf dem sich Stiftungen der Region präsentieren, bildet anschaulich die vielen Felder ab, die von Stiftungen bestellt werden.

Die Tätigkeiten der Stiftungen ergeben zusammen einen unendlich bunten Strauß. All das, was da mit großem Einsatz, mit Ideen und Phantasie auf den Weg gebracht wird, ist für unsere Gesellschaft eine Bereicherung, eine Vielfalt, die der Staat selber nie schaffen und auch nicht verordnen könnte.

Die Ambivalenz von Stiftungen

Noch etwas machen die Beispiele klar. Stifter tun Gutes für das Gemeinwohl, aber sie tun genau so etwas für sich selbst. Sie verwirklichen das, was ihnen am Herzen liegt, und damit sich selber. Wohl deshalb sind Stifter in der Regel zufriedene und fröhliche Menschen. Die Ambivalenz von altruistischen und eigennützigen Motiven, von gemeinnützigen und persönlichen Zielen ist geradezu ein Kennzeichen von Stiftungen. Das war so von Beginn an. Die ältesten deutschen Stiftungen reichen bis ins Mittelalter zurück und sind bis zu tausend Jahre alt. Die Heilig-Geist-Spitäler, die sie schufen, sind ein Beispiel für ihr Wirken. Sie finden sich heute noch von Mittelitalien bis an die Ostsee. Die frommen Stifter folgten dem Gebot der Nächstenliebe, wollten mit ihren guten Taten aber auch etwas für ihr Seelenheil tun.

Eine ganz andere Art von Stiftung ist auch schon 500 Jahre alt. Im Jahre 1521 gründete Jacob Fugger in Augsburg seine Fuggerei. Er kam mit der Errichtung der Sozialsiedlung christlichen Tugenden nach, wir würden heute sagen sozialer Verantwortung. Er hatte aber - zu Zeiten des Ablasshandels und des Wuchers - gleichzeitig den guten Ruf seines Unternehmens im Auge. Wir würden heute sagen: er betrieb Imagepflege. Auch das gehört zur Ambivalenz von Stiftungen. Es ist unschwer zu erkennen, dass wir den Prototyp einer modernen, von Unternehmen errichteten Stiftung vor uns haben. Es ist kein Zufall, dass gerade solche Unternehmen, die dem Gemeinwohl und der Region verbunden sind, sich als erfolgreiche Stiftungsgründer erwiesen haben. Die zahlreichen Sparkassenstiftungen tun sehr viel Gutes, und die Volksbanken stehen ihnen nicht viel nach.

Die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit von Stiftungen

Die Fuggerei ist darüber hinaus ein anschauliches Beispiel für die erstaunliche Langlebigkeit von Stiftungen, für ihre Dauerhaftigkeit und ihre nachhaltige Wirkung. Sie besteht noch heute und dient immer noch ihrem ursprünglichen Zweck als Sozialsiedlung. Zudem ist sie zu einem bedeutenden Baudenkmal geworden.

Wenn man fragt, wozu es überhaupt einer Stiftung braucht, um Gutes zu tun, ob man mit einer Spende nicht das Gleiche erreichen könnte, dann ist es die nachhaltige Wirkung, die vor allem ins Feld zu führen ist. Wenn es darum geht, einmalig zu helfen, dann ist die Spende das einfachere und angemessene Mittel. Stiftungen aber sind auf Dauer angelegt. Der Stifterwille steht unter gesetzlichem Schutz, ist kaum zu verändern. Wenn dann noch ein Teil der Erträge als Inflationsausgleich dem Kapital zugefügt wird und die Ertragskraft ungeschmälert erhalten bleibt, dann können Stiftungen über Jahrhunderte bestehen und nachhaltig wirken. Wenn sie mit ihren Förderungen Engagement und Einsatz belohnen und damit ähnlich der Wirtschaftsförderung Leistungsanreize geben, wenn sie nicht mit der Gießkanne oder nach irgend einem Proporz Wohltaten verteilen, dann sind Stiftungen in der Lage, in längeren Zeitspannen Strukturen positiv zu verändern.

Die Freiheit der Stiftungen

Neben der Langlebigkeit ist die Freiheit, die ihnen gewährt wird, ein großer Vorzug der Stiftungen. Wenn sie denn genügend Stärke aufbringen, können sie Beeinflussungen von außen selbstbewusst widerstehen. Stiftungen gehören zu freiheitlichen Gesellschaften und tragen zu Pluralität und Vielfalt bei. Totalitäre Staaten jeder Couleur fürchten Stiftungen, behindern und verbieten sie. Das war bei den Kommunisten genau so wie bei den Nationalsozialisten. So liegt es auch im großen Bruch in unserer Geschichte begründet, dass trotz des Stiftungsbooms in den vergangenen Jahrzehnten Stiftungen in Deutschland immer noch nicht die Rolle spielen wie in anderen, zum Beispiel den angelsächsischen Ländern. Zu ihrer Entfaltung brauchen sie Freiräume jenseits staatlicher Reglementierung. In Deutschland der dreißiger Jahre wurden vorhandene Wurzeln des Stiftungswesens und des bürgerlichen Mäzenatentums radikal abgeschnitten, auch deswegen, weil viele der großbürgerlichen Mäzene Deutsche jüdischen Glaubens waren. Im östlichen Teil Deutschlands, der DDR, wurden Stiftungen, weil sie Freiräumen beanspruchten, für weitere 40 Jahre unterdrückt. Im Westen setzte der Neubeginn mit dem Wirtschaftswunder, im Osten erst nach der Wiedervereinigung allmählich ein.

Die Bürgerstiftungen

Ein ganz anderer Typ von Stiftungen kam aus den USA zu uns, die Bürgerstiftung. Hier tun sich Bürger zusammen, um in ihrer Gemeinde gemeinsam etwas zu erreichen. Christian Pfeiffer, als Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen bekannt geworden, gründete mit einigen Mitstreitern die erste deutsche Bürgerstiftung 1998 in Hannover. Zwei Jahre zuvor war zwar schon die Bürgerstiftung Gütersloh als „Stadt Stiftung Gütersloh“ errichtet worden, aber eine typische Bürgerstiftung ist sie nicht. Sie wurde von Reinhard Mohn und dem Unternehmen Bertelsmann gegründet und mit 2 Mio. DM ausgestattet. Wichtig ist, dass beide, Reinhard Mohn und Christian Pfeiffer, die Bürgerstiftungen in Deutschland bekannt und populär machten.

Die Zahl der Bürgerstiftungen beträgt mittlerweile über 2 000, davon wurden allein 31 im Jahr 2010 errichtet. Der Zuwachs war höher als bei den übrigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts. Die Gremien einer typischen Bürgerstiftung sind die Versammlung der Mitglieder, die Zustiftungen gegeben haben, ein Kuratorium, das von der Mitgliederversammlung gewählt wird und ein Vorstand, den das Kuratorium wählt. Meistens wird für die Stimmberechtigung eine Mindestsumme als Zustiftung vorausgesetzt. Ein Ausschuss prüft die Projekte, die gefördert werden sollen, und er gibt Empfehlungen ab. Sinnvoll ist es, wie bei anderen Stiftungen auch, dass Fachberater hinzugezogen werden. Die Aktivitäten von Bürgerstiftungen sind regional begrenzt. Tätigkeitsfelder sind vor allem Bildung und Erziehung, gefolgt von Kunst und Kultur und sozialen Projekten.

In der Mitgliederversammlung gilt – ganz anders als bei Aktiengesellschaften – das Prinzip „One Man one Vote“. Aus dieser Art, beteiligt zu sein, erwächst eine starke Motivation zum Mitmachen. Christian Pfeiffer hat seine Erfahrungen mit Bürgerstiftungen in Vorträgen, Interviews und Publikationen oft weiter gegeben. In einem ausführlichen Gespräch im SWR hat er vor einigen Jahren seine Erfahrungen mitgeteilt. Als Fehler, die man in einer Bürgerstiftung machen könne, nennt er, seine persönlich bevorzugten Projekte zu stark im Blick zu haben und auf Ideen anderer zu wenig einzugehen. Auch das zielt auf die Motivation der Beteiligten. Und auf die Frage, was das für Menschen seien, die sich in Bürgerstiftungen engagierten, antwortet er: Menschen, die Ideen haben, Menschen, die Zeit haben für ehrenamtliche Mitarbeit, und erst an letzter Stelle Menschen, die Geld geben. Das mag verwundern und ist doch logisch, denn Ideen und Engagement sind die Voraussetzungen dafür, finanziell aktiv zu werden. Christian Pfeiffer macht deutlich, dass auch in Bürgerstiftungen Menschen, die durch Zustiftungen helfen, ihr persönliches Engagement einbringen und ihre eigenen Ideen verwirklichen. Dazu passt, dass in Bürgerstiftungen mit größeren Summen gesonderte Fonds gebildet werden können, aus denen ganz bestimmte, vom Stifter vorgegebene Zwecke verfolgt werden können, etwa die Unterstützung eines Gesangvereins, eines Heimatmuseums oder eines Kindergartens, je nachdem, was dem Stifter besonders am Herzen liegt. Bürgerstiftungen sind Ausdruck der Verbundenheit der Bürger mit ihrer Gemeinde, ihrer Region.

Die Welle der Stiftungsgründungen

In den vergangenen Jahrzehnten hat es eine Welle von Stiftungsgründungen gegeben. Sie spiegelt die wirtschaftliche Entwicklung wider, denn Prosperität ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Errichtung von Stiftungen. Das 2011 in neuer Auflage erschienene Verzeichnis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen verzeichnet über 18.000 Stiftungen, davon über 800 Neugründungen im vorhergehenden Jahr. Die regionale Verteilung von Stiftungen in Deutschland zeigt die Abhängigkeit von Wirtschaftskraft und Wohlstand, denn die meisten Stiftungen auf 100.000 Einwohner weisen Hessen, Bayern und Baden-Württemberg auf, die wenigsten gibt es in Brandenburg. Es sind nicht nur die milliardenschweren Stiftungen großer Unternehmen wie Bosch, Siemens und Volkswagen. Es sind viele Stiftungen kleinerer und mittlerer Größe von engagierten Bürgern, die mit ihrem Kapital dann etwas bewirken können, wenn der Stiftungszweck begrenzt und klar definiert ist. Die Förderung von Konfirmandenfreizeiten ist ein ungewöhnliches Beispiel dafür. Typische weitere Beispiele sind Stiftungen, die den Unterhalt eines kleinen Baudenkmals wie einer dörflichen Kapelle übernehmen. Bei einem geringen Stiftungskapital besteht immer noch die Möglichkeit, eine unselbständige Stiftung zu errichten oder sich mit einer Zustiftung an einer Bürgerstiftung zu beteiligen.

Eine persönliche Bemerkung

Stiften ist nicht nur etwas für Superreiche, sondern für Menschen mitten in der Gesellschaft. Wer stiftet, tut nicht nur etwas für die Gemeinschaft, er verwirklicht eigene Anliegen und damit sich selbst. Aus diesem Grund empfinden Stifter Freude und Genugtuung. In ihnen treffen wir meistens zufriedene Menschen. Ich hatte das Glück, fast anderthalb Jahrzehnte als Geschäftsführer einer großen Stiftung zu arbeiten. Die Idee des Stiftens hat meine Frau und mich fasziniert und angesteckt. Wir errichteten eine eigene kleine Stiftung, mit der wir unsere Pläne verwirklichen, nämlich mit der Hilfe einer kompetenten Jury originelle und kreative Museumsarbeit bundesweit mit einem Preis auszuzeichnen. Wir sind sehr froh, dass wir die Stiftung nicht erst testamentarisch gegründet haben, sondern dass sie bereits wirksam ist. Aus zwei Gründen: Wir erleben mit Freude ihre Wirkung und wir haben die Möglichkeit, verändernd einzugreifen. Dafür ein Beispiel. Wir hatten den Museumspreis zunächst bundesweit ausgelobt. Die Auslobung war so erfolgreich, dass sich Museen zwischen Hamburg und München, Dresden und Saarbrücken bewarben. Die kleine Stiftung aber tat sch schwer mit der Prozedur der Auswahl des Preisträgers. Beim nächsten Mal konnten sich Museen nicht mehr bewerben, sondern wurden von den Jurymitgliedern vorgeschlagen. Auch das war noch ein aufwendiges Verfahren. Erst danach fanden wir die ideale Lösung. Die Jury benennt jeweils eine herausragende Persönlichkeit des Museumswesen, die das Recht erhält, den Preisträger frei zu bestimmen mit der einzigen Bedingung, die Wahl in einer öffentlichen Laudatio zu begründen. Es ist eine einfache, nicht arbeitsaufwändige Methode, die zu wunderbaren Ergebnissen führt. So hat beim vorigen Mal Professor Gottfried Korff aus Tübingen den Kustoden des Kunstmuseums Kolumba in Köln den Preis zuerkannt, wahrhaft verdienten Preisträgern.

Vielleicht entfalten ja solche persönlichen Erfahrungen eine stärkere Wirksamkeit als die Theorie eines Vortrags.