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GESCHICHTE DER GDA
 

Zur Geschichte der Gesellschaft Deutsches Arboretum

„Die Geschichte, die sich direkt vor unserer Nase vollzieht, sollte eigentlich am klarsten sein, und doch ist sie am schwierigsten zu fassen.“
Julian Barnes

Über die Umstände der Gründung und die Geschichte der ersten Jahre der Gesellschaft Deutsches Arboretum e. V. ist bisher wenig veröffentlicht worden. Die Gesellschaft selber, in deren Archiv Akten darüber weitgehend fehlen, hat zur Aufklärung kaum beigetragen. Erst eine an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau 2009 eingereichte und ungedruckte Dissertation zeigt auf, wie eng die Verbindungen des ersten Präsidenten der Gesellschaft zur NSDAP waren. Das wird zum Anlass genommen, die Geschichte der Gesellschaft um diesen Teil zu ergänzen und publik zu machen.

Die Gesellschaft Deutsches Arboretum (GDA) wurde 1938 als Gesellschaft Reichsarboretum e. V. in Frankfurt am Main gegründet. Ihr Ziel war es, ein Reichsarboretum nach dem Vorbild des National Arboretums Tervuren in Belgien, der Royal Botanic Gardens Kew in England und des Arnold Arboretums Boston in den USA zu errichten. Gleich in mehreren deutschen Städten, in Frankfurt/Main, Darmstadt, Köln und Karlsruhe, sollten Teile des Reichsarboretums entstehen. Präsident der Gesellschaft wurde Prof. Dr. Eberts, Reichsforstamt Berlin. Das geht aus den Veröffentlichungen und den sehr lückenhaften Akten der Gesellschaft Deutsches Arboretum hervor (Weidner & Bouffier 2007). Es entspricht der Historie, und doch ist es nur die halbe Wahrheit.

Schon das Gründungsjahr 1938 legt die Vermutung nahe, dass die Gesellschaft nicht frei von Einflüssen des totalitären Staates blieb, wie es den meisten Einrichtungen damals geschah. Die 2009 in Freiburg im Breisgau fertiggestellte und bisher wenig bekannte Dissertation von Benedikt Lickleder „Der forstwissenschaftliche Fachbereich der Universität Freiburg in der Zeit von 1920 bis 1945“ trägt für die Zeit des Nationalsozialismus aufschlussreiches Material zusammen und belegt es sorgfältig (Lickleder 2009). Das soll zum Anlass genommen werden, die Geschichte der Gesellschaft Deutsches Arboretum um einen kleinen Beitrag zu ergänzen, nicht aber zu beanspruchen, sie neu zu schreiben. So geht aus der Dissertation von Lickleder hervor, dass das Reichsforstamt für die Finanzierung der Gesellschaft Reichsarboretum sorgte, ihm dafür auch Aufgaben vorgab. Da verwundert es nicht, dass zu den üblichen Tätigkeiten eines Arboretums wie den Aufbau der Sammlungen von Pflanzen und Samen, deren vielfältiger Erforschung im Freiland und im Labor noch weitere, spezielle Aufträge traten. Ziel der Züchtungsforschung war eine erhebliche forstliche Produktionssteigerung, um die völlige Autarkie Deutschlands zu erreichen. Von Friedrich Schroeter schreibt 1939: „Die Rohstofffrage ist überhaupt das Maßgebliche für die forstnutzungstechnische Anlage, letzten Endes für das ganze Arboretum, denn sie rührt an die Schicksalsfrage unseres Volkes.“ (Friedrich-Schroeter 1939). Oberste Priorität hatte die Erforschung von Ersatzstoffen für die deutsche Wirtschaft, die aus Holzgewächsen hergestellt werden konnten. Auf einem Gelände des Reichsarboretums in Karlsruhe wurden zum Beispiel groß angelegte Anbauversuche mit schnell wachsenden Pappeln zur Zelluloseherstellung gemacht. Weniger harmlos war in damaliger Zeit die Verwendung von Pappeln wie die von Weiden als Sichtschutz für Konzentrationslager. So forderte der Leiter der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Auschwitz zu diesem Zweck Pappeln und Weiden, die besonders schnell wuchsen, beim Kaiser-Wilhelm-Institut in Müncheberg an, das mit der Gesellschaft Reichsarboretum eng zusammenarbeitete (Lickleder 2009: 200-201). Inwieweit diese involviert war, bleibt ungewiss.

Die Gründungsversammlung fand am 25.08.1938 in Frankfurt/Main statt. Prof. Dr. Heinrich Eberts wurde von Reichsforstmeister Hermann Göring zum Präsidenten der Gesellschaft Reichsarboretum ernannt. Die Zentralverwaltung der Gesellschaft bezog in Frankfurt/Main ein repräsentatives Gebäude, das zuvor der jüdischen Familie Rothschild enteignet worden war (Lickleder 2009: 163). Eberts war im Mai 1933 in die NSDAP eingetreten und hatte danach eine steile Karriere im Reichsforstamt bis zum Ministerialdirektor gemacht (Patentschau 1943). Als Leiter der Abteilung F Forstwissenschaft und Forstpolitik wirkte er an der Forstgesetzgebung des Dritten Reiches mit. In der einflussreichen Hermann-Göring-Akademie der Deutschen Forstwissenschaft wurde er Mitglied des Senats und des Kuratoriums.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand dann dem Projekt nicht nur seine eigene Geschichte, sondern auch der föderal gegliederte Staat entgegen. Trotzdem kam 1950 eine kleine Gruppe von 13 Mitgliedern der Gesellschaft Reichsarboretum in Kiel zusammen, um einen Neubeginn zu wagen. Die Versammlung sprach sich gegen die Auflösung und die Übernahme durch die Deutsche Dendrologische Gesellschaft aus. Vielmehr sollte die Gesellschaft Reichsarboretum bestehen bleiben und den Namen Gesellschaft Deutsches Arboretum führen. Der alte Präsident Professor Dr. Heinrich Eberts wurde auch zum neuen gewählt. Der 1939 am Amtsgericht Frankfurt am Main eingetragene Verein besteht seitdem unter neuem Namen fort (Weidner & Bouffier 2007). Die neue Bezeichnung ist irreführend, weil es nicht gelang, das Deutsche Arboretum zu schaffen. Die Gesellschaft ist zwar in Deutschland tätig, kann aber nicht beanspruchen, ein Arboretum zu vertreten, welches für das Land repräsentativ ist oder Merkmale aufweist, die das Adjektiv deutsch rechtfertigen könnten. Ein Arboretum ist eine wissenschaftliche Sammlung von Gehölzen aus aller Welt, die im Freiland gedeihen. Was also ist deutsch an einem Arboretum?

In der neuen Satzung wird vom Reichsarboretum Abschied genommen, sie nennt als Ziele: „Die Gesellschaft will insbesondere Außenanlagen durch Anpflanzung von Gehölzen zur Beobachtung ihrer Entwicklung und zur Prüfung ihres Wertes in systematischen, pflanzengeographischen, pflanzensoziologischen, gartenbaulichen, landschafts-gestalterischen und forstwirtschaftlichen Zusammenstellungen schaffen oder solche Anlagen übernehmen...“ Realistischer heißt es dann weiter: „...oder ihre Herstellung, Unterhaltung und wissenschaftliche Auswertung fördern.“ Ergänzend wird hinzugefügt: „Die Einrichtung der Gesellschaft dient der wissenschaftlichen Gehölzforschung und dem Wald- und Gartenbau, aber auch der allgemeinen Benutzung und Belehrung.“ (Satzung 2007) Der Gesellschaft gelang es nur ansatzweise, die in der Satzung genannten Aufgaben zu erfüllen. Das lag auch daran, dass im Laufe der Jahrzehnte aus einer wissenschaftlichen Gesellschaft mit Dendrologen als Mitgliedern zunehmend ein Zusammenschluss von Liebhabern der Dendrologie geworden ist. Befördert wurde diese Entwicklung dadurch, dass entgegen der Satzung die Mitgliedschaft nicht beantragt werden musste, sondern einfach erklärt werden konnte.

In den folgenden Jahren versiegen die Quellen, bis es in einem Brief von Walter Hoenisch, Lüneburg, an Wolfgang Schönherr, Trier, heißt, dass Nachforschungen am Amtsgericht Frankfurt/Main keine aktive Vereinsarbeit ergeben hätten. Präsident Eberts und sein Vizepräsident seien verstorben. 1983 luden dann Wolfgang Schönherr und Karl Fuchs zu einer Mitgliederversammlung nach Weinheim ein, die Wolfgang Schönherr, Trier, zum Präsidenten und Karl Fuchs, Neunkirchen, zum Vizepräsidenten wählte. Nach Schönherrs Tod wählte die Mitgliederversammlung 1996 in Ibbenbühren Karl Fuchs zum Präsidenten. Als Carl Fuchs aus Krankheitsgründen zurücktrat, wurde in der Mitgliederversammlung von 2004 in Trier Dr. Reinhard Weidner zum Präsidenten gewählt. (Weidner & Bouffier 2007) Mittlerweile geht die Gesellschaft Deutsches Arboretum, wenn man die Geschichte ihrer Vorgängerin mitzählt, auf ihr 75jähriges Bestehen zu. Deshalb ist geplant, die Jahrestagung 2013 in Frankfurt/Main zu veranstalten und an die Gründung vor 75 Jahren in einem Jubiläum und mit einem Jubiläumsband der Beiträge zur Gehölzkunde zu erinnern. (Weidner 2009) Es bleibt zu fragen, ob die Umstände der Errichtung der Gesellschaft Reichsarboretum e. V. es rechtfertigen, ein Jubiläum zu begehen oder ob nicht jede Feier zur Peinlichkeit geraten müsste. Ein schlichtes, mit Aufklärung verbundenes Gedenken wäre eher angemessen.

Es geht nicht darum, den damaligen Akteuren nachträglich einen Vorwurf zu machen. Sie dienten wie leider viele Deutsche dem totalitären Staat und waren in den Nationalsozialismus verstrickt. Nach dem Krieg wurden sie als minder schwere Fälle entnazifiziert und in die demokratische Gesellschaft eingegliedert. Der wichtigere Punkt ist doch, dass 1950 der entnazifizierte Professor Ebert wieder zum Präsidenten wurde, als wenn nichts geschehen wäre. Es darf doch die Frage gestellt werden, ob er für dieses Amt moralisch geeignet war. Auch wenn er sich juristisch nicht schuldig gemacht haben sollte, so gehörte er doch zu den vielen kleinen aktiven Rädchen, ohne die der verbrecherische Staat nicht so reibungslos hätte funktionieren können. Es geht um das Schweigen danach, darum, dass die Gesellschaft Deutsches Arboretum nicht schon vor Jahren daran gegangen ist, ihre Geschichte und die ihrer Vorgängerin aufzuklären und zu publizieren. Der Schriftsteller Ralph Giordano, der sich zur Nazizeit als Schüler vor rassistischen Anfeindungen im Hamburger Stadtpark Winterhude hatte verbergen müssen, urteilte später sehr pauschal: „Die fünfziger Jahre waren ein brauner Epilog, gefolgt von Dezennien der Verdrängung und Verleugnung...“ (Giordano 2012). Die Tagung in Frankfurt/Main bekäme dann einen Sinn, wenn der Vorsatz umgesetzt würde, die Geschichte der Gesellschaft zu erforschen, offen zu legen und einen wirklichen Neuanfang zu machen.

Literatur:

Barnes, Julian (2011): Vom Ende einer Geschichte: . – Köln
Von Friedrich-Schroeter (1939): Reichsarboretum und Forstwirtschaft, in: Der Deutsche Forstwirt 21: 305-307; Berlin
Giordano, Ralph (2012):Leserbrief in Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 82, 05.04.2012, S. 33
Lickleder, Benedikt (2009): Der forstwissenschaftliche Fachbereich der Universität Freiburg in der Zeit von 1920 bis 1945. – Inauguraldissertation der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg., Freiburg, nicht gedruckt
Patentschau (1943): Persönliches. Zum 60 Geburtstag von Heinrich Eberts, Band 3: 174
Satzung (2007): Satzung der Gesellschaft Deutsches Arboretum, Fassung von 2007, ungedruckt, im Archiv der GDA
Weidner, Reinhard (2011): Vorwort. – Beiträge zur Gehölzkunde19: 3-4; Hemmingen.
Weidner, Reinhard & Bouffier, Volker André (2007): Zur Geschichte der Gesellschaft Deutsches Arboretum e. V. – Beiträge zur Gehölzkunde, 17: 180-183; Rinteln

Heinz Schirnig, Januar 2012

Nachtrag

Der Präsident der Gesellschaft Deutsches Arboretum, Herr Dr. Reinhard Weidner, gab auf der Jahrestagung der Gesellschaft im September 2012 in Leipzig bekannt, schon vor Beendigung der Wahlperiode aus dem Amt scheiden zu wollen. Im Juni 2013 teilte er in einem Schreiben an die Vorstandsmitglieder seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen mit.

Am 23.07.2013 schrieb der Vizepräsident Volker A. Bouffier in der Einladung zur Mitgliederversammlung: „Herr Dr. Weidner hat bereits während der Jahrestagung 2012 in Leipzig angekündigt, seine Präsidentschaft nicht in der vollen Länge der Wahlperiode auszuüben. Gesundheitliche Gründe sowie verleumderische Behauptungen und böswillige Unterstellungen im Internet, welche die bis September 2012 tätigen Vorstandsmitglieder in die Nähe des Nationalsozialismus stellen und bis heute nicht zurückgenommen wurden, haben ihn jedoch bewogen, bereits im vergangenen Monat das Amt des GDA-Präsidenten niederzulegen“.