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BAUSCH-PARK
 

Wenn Bäume reden könnten. Der Bausch-Park in Neu Kaliß

Eine Oase der Stille liegt neben der lauten Bundesstraße zwischen Ludwigslust und Uelzen, die nach der Vereinigung wieder zu einem wichtigen Verkehrsweg wurde. Jenseits der Neuen Elde scheint die Hektik weit entfernt. Ein erholsamer und besinnlicher Ort ist der Park für die Menschen, für manche Tiere ein Paradies. Die Insekten finden hier nicht nur im Frühjahr reichlich Nektar, sondern in den Blüten mancher exotischer Pflanzen bis weit in den Sommer hinein. Die Vögel und kleinen Säuger sind mit Früchten gut versorgt, und wenn man Glück hat, begegnet einem im Park schon einmal ein Dachs mitten am Tage. Ruhe und Frieden strahlen die großen Bäume aus. Dabei haben sie schon ganz anderes erlebt.

Die ältesten von ihnen wurden schon im 19. Jahrhundert gepflanzt, kurz nach dem Bau der ersten Villa, die in ihrer Windfahne die Jahreszahl 1877 trägt. 1872 hatten die Unternehmer Felix Schoeller und Theodor Bausch die erste Papierfabrik Mecklenburgs gegründet. Die hervorragende Qualität ihrer Produkte ließ sie rasch zu einem führenden Unternehmen der Papierherstellung in Deutschland werden. Unweit der Fabrik ließ Theodor Bausch für sich und seine Familie die Villa bauen und beauftragte den Gärtner Vieth aus Wittenburg, einen Park im Stil der englischen Landschaftsgärten anzulegen. Es folgte der Bau der Villen zwei und drei für die beiden Söhne Theodor und Viktor. Der jüngste Sohn Felix bewohnte später die väterliche Villa, so dass die drei Villen bis heute die Namen Felix, Theodor und Viktor tragen. Die gründerzeitlichen roten Backsteinbauten, deren Türen und Fenster deutlich den Jugendstil erkennen lassen, fügen sich harmonisch in den Park. Obwohl jeder der Villen ein eigener Parkteil zugeordnet war, der von je drei Gärtnern betreut wurde, entstand eine einheitlich gewachsene Anlage.

Das Unglück begann in das erfolgreiche unternehmerische und glückliche private Leben der Familie Bausch in der Nazizeit hereinzubrechen. Viktor Bausch stand im Widerstand zum Nationalsozialismus und wurde 1934 inhaftiert, weil er jüdischen Mitbürgern falsche Papiere besorgt und sie in seinem Unternehmen beschäftigt hatte. Die schlimmste Zeit aber begann in Neu Kaliß am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Rote Armee hatte Viktor Bausch zwar als Bürgermeister eingesetzt, bald aber musste er einem fanatischem Kommunisten weichen. Die Amerikaner, die in das Gebiet östlich der Elbe vorgestoßen waren, hatten sich zuerst hinter die Neue Elde und dann über die Elbe zurückzogen. So wurde das kleine Flüsschen unmittelbar am Bausch-Park für kurze Zeit zur unüberwindlichen Grenze. In Neu Kaliß schlug die Rote Armee wie an vielen anderen Orten tiefe Wunden. Die Zivilbevölkerung bekam den Hass zu spüren, den die Nazis gesät hatten und der bei vielen russischen Soldaten voll aufgegangen war. Plünderungen, Misshandlungen, Erschießungen, vor allem grauenhafte Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen waren alltägliches Leid. Die Schriftstellerin Erika von Hornbach, die Viktor Bausch geheiratet hatte, beschreibt das authentisch in ihrem Buch „Der gestohlene Phönix“, in dem sie die Familiengeschichte und damit am Rande auch die Geschichte des Parks erzählt. Der Titel drückt aus, dass die Papierfabrik nach der Montage mit unsäglicher Mühe der Ingenieure und Arbeiter wie Phönix aus der Asche wieder erstanden war, um dann enteignet und heruntergewirtschaftet zu werden.

Wer das Buch in die Hand nimmt, verschlingt es bis zur letzten Seite. Es schildert, dass die Neue Elde am Rande des Parks die Grenze zwischen dem von Amerikanern und Russen besetzten Gebieten war. Wer sich dem Flüsschen nähern wollte, wurde von russischen Maschinenpistolen vertrieben. Und doch gelang Vielen die Flucht nach Westen. Junge amerikanische Soldaten machten sich, obwohl es mit Arrest bedroht war, einen Sport daraus, den Fluss nachts zu überqueren, Bauschs in ihrer mit Flüchtlingen vollgepfropften Villa zu besuchen und auf dem Rückweg drangsalierten Menschen zur Freiheit zu verhelfen.

Der Park war auch Ort der Zeitgeschichte, als die Papierfabrik mit ihren riesigen Maschinen 1946 von den Sowjets demontiert wurde. 3000 Mann, zwei russisches Strafbataillons mit Wachmannschaft und deutsche Arbeiter waren daran beteiligt. Panzer brachen Löcher in die Fabrikwände und zogen die Maschinen auf Kufen in den Park. Dort lagerten sie, bevor sie in 2000 Holzkisten, einige so groß wie Wochenendhäuser, auf 13 Güterzügen den Weg nach Russland antraten. Dort gelang es nach der brutalen und unsachgemäßen Demontage nicht mehr, die Fabrik wieder aufzubauen. Lange waren die Narben im Park noch zu sehen. Viele Pflanzen waren ganz verschwunden, Bäume wiesen Wunden auf und der Parkboden trug tiefe Furchen der Panzerketten davon.

Es kostete Viktor Bausch, seinem Ingenieur Kurt Frenzel und die gesamte Belegschaft unvorstellbare Mühe, aus alten Maschinen und Schrott eine funktionierende Papiermaschine wiedererstehen zu lassen. Auf das daran angebrachte Schild waren die Arbeiter Stolz: ‚Diese Maschine wurde in den Jahren 1947 bis 1949 aus alten Maschinenteilen und Schrotteisen von der Belegschaft des Werkes Neu Kaliß selbst erstellt.’ Den neuen sozialistischen Machthabern, die Viktor Bausch schon 1948 enteignet, ihm das aber bis nach dem Wiederaufbau der Fabrik verschwiegen hatten, war das Schild peinlich. Sie warfen es in den Schrott. Nach der Wende leisteten die Kapitalisten ganze Arbeit, indem sie die einmalige Maschine selbst verschrotteten und nicht für das spätere Industriedenkmal Neu Kaliß erhielten. Eine moderne Fabrik produziert für den Melitta-Konzern wieder hochwertiges Papier. Die Grundschule von Neu Kaliß trägt zur Erinnerung an Viktor Bausch seit 2008 seinen Namen.
Für Erika von Hornbach-Bausch war es 1990 eine traurige Begegnung mit ihrem Park: „Wie auf das Wiedersehen mit einem alten Freund hatte ich mich auf den Park gefreut. Es wird ein trauriges Wiedersehen. Der alte Freund ist krank, keine Pflege wird ihm zuteil...“ Die drei Villen waren zunächst als Kinderheim, dann als Krankenhaus genutzt worden und dienen jetzt als Psychosomatisches Pflegeheim. Die Häuser sind inzwischen saniert und der Park wird wieder gepflegt. Der Familie Bausch, die nicht ihre Fabrik, aber die Villen zurück erhielt, ist diese Nutzung durch die Diakonie recht. Wer in der Stille des Parks einer Pflegerin begegnet, die einen Patienten ausführt und ihn verständnisvoll umsorgt, der kann dieser Lösung mit ganzem Herzen zustimmen. Der sorgfältigen Pflege des Parks und seiner Erschließung für die Besucher nimmt sich heute mit großem Engagement Dr. Thomas Bausch an. Er führt mit der Bausch Stiftung die Tradition der Familie fort.

Heute beherrschen die mächtigen Bäume das Bild. Gelegentlich gibt das dichte Grün die Sicht frei auf die roten Backsteinmauern von einer der drei Villen. Majestätisch ragen die Wipfel in den Himmel, breit und behäbig die Kaukasiche Flügelnuss, die Rot- und Hängebuchen, Robinien oder die Walnussbäume. Schlank in die Höhe streben die Säuleneichen, die Sumpfzypressen, die Kaukasusfichten, die Serbischen Fichten und die Kanadischen Hemlocktannen. Vom Dunkelgrün vieler Nadelbäume hebt sich das lichte Grün der Japanischen Lärchen und der Sumpfzypressen ab, sticht das Gelb der Goldeiben hervor. Unter den Laubbäumen fallen die dunklen Blutbuchen und die hell panaschierten Blätter von Leopolds Bergahorn in die Augen.

Wer im Frühjahr in den Park kommt, der kann sich der Blütenpracht erfreuen von Goldregen und Flieder, Blutapfel, Rhododendron, der Rosskastanie und ihrer amerikanischen Verwandten, der Gelbblühenden und Rotblühenden Rosskastanie, der Tulpenmagnolie, der Schirmmagnolie mit ihren großen Blättern und vielen anderen. Die leuchtenden Herbstfarben sind im Oktober zu bewundern. Dann strahlen vor allem die aus Nordamerika stammenden Bäume, Gelbholz und Tulpenbaum in gelb, die Sumpfzypresse rostrot, Roteiche und Scharlacheiche und Silberahorn von orange bis rot. Dass so viele Bäume aus den Flussauen des östlichen Nordamerikas angepflanzt wurden, ist kein Zufall. Sie vertragen hohen Grundwasserstand und feuchten Boden, wie sie in der Eldeniederung als Teil des Urstromtals der Elbe anzutreffen sind. Die Besucher des Parks teilen die Freude an den Bäumen mit den Heimbewohnern der Diakonie in den historischen Villen.

Wenn Bäume reden könnten, Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide, Reise und Erholung, 14.11.2009
www.garten-tour.de

Literatur:
Bötefür, Hans Joachim, Der Bausch Park Neu Kaliß, Ludwigslust 1994
Von Hornstein, Erika, Der gestohlene Phönix, 4. Aufl., Berlin 2002